Eltern, die zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes miteinander verheiratet waren, üben die Sorge gemeinschaftlich aus (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 BGB). Beim gemeinsamen Sorgerecht verbleibt es grundsätzlich auch im Fall einer Trennung oder einer Scheidung der Eltern. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz hat mit Wirkung zum 1.7.1998 den früheren gesetzlichen Fall einer obligatorischen gerichtlichen Sorgerechtsentscheidung im Scheidungsverfahren abgeschafft. Es verbleibt beim Regelfall der gemeinsamen elterlichen Sorge, solange nicht ein Gericht auf Antrag eines Elternteils nach § 1671 BGB einem Elternteil die alleinige elterliche Sorge überträgt oder von Amts wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB das Sorgerecht einem Elternteil oder gar beiden entzieht. Wird die elterliche Sorge abweichend vom Normalfall einem Elternteil allein übertragen, vertritt dieser das Kind nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB allein.
Besonderheiten galten und gelten teilweise noch immer für nicht eheliche Kinder. Seit der gesetzlichen Neureglung vom 01.07.1998 steht der Kindesmutter zunächst die alleinige elterliche Sorge zu, wie sich aus § 1626 a Abs. 3 BGB in der Neufassung vom 19.05.2013 ergibt. Abweichend davon steht den Eltern die gemeinsame elterliche Sorge im Falle der Verheiratung (§ 1626 a Abs. 1 Nr. 2 BGB) oder der Abgabe einer überstimmenden Sorgeerklärung (§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB) zu. Wird diese Sorgeerklärung bereits vor der Geburt des Kindes abgegeben, gilt die gemeinsame elterliche Sorge von Geburt an.
Diese Regelung der Alleinsorge hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 21.07.2010 als mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt und angeordnet, dass bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung der alte § 1626 a BGB mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam zu übertragen hat, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Ferner ordnete es an, dass § 1672 BGB mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regelung trat zum 19.05.2013 in Kraft. Nach der Neufassung des § 1626 a BGB steht Eltern, die bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet waren, die elterliche Sorge neben den bisher bereits geregelten Fällen (Ehe oder Sorgeerklärung) auch dann gemeinsam zu, wenn und soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt. Die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge auf beide Eltern durch das Familiengericht erfolgt dann, wenn ein Elternteil dies beantragt und die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dafür besteht eine gesetzliche Vermutung dann, wenn der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich sind.
Zur verfahrensrechtlich beschleunigten Umsetzung hat der Gesetzgeber in § 155 a FamFG ein vereinfachtes Sorgeverfahren geschaffen. Das Familiengericht hat dem anderen Elternteil den auf § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB gestützten Sorgerechtsantrag förmlich zuzustellen und eine Frist zur Stellungnahme setzen, die für die Mutter jedoch frühestens sechs Wochen nach der Geburt des Kindes enden darf. Werden von dem anderen Elternteil keine Gründe vorgetragen, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, gilt die gesetzliche Vermutung des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB und die elterliche Sorge wird vom Familiengericht den Eltern gemeinsam übertragen. Werden Gründe vorgetragen, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, oder sind solche Gründe sonst für das Familiengericht ersichtlich, ist das Sorgerechtsverfahren nach § 155 FamFG durchzuführen. Für diesen Fall sieht das Gesetz ein Beschleunigkeitsgebot vor. Ein Anhörungstermin ist nach § 155 a Abs. 4 FamFG kurzfristig zu bestimmen.
Rechte und Pflichten/Grenzen des Sorgerechts
Welche Rechte und Pflichten den Eltern zustehen, richtet sich im Einzelfall danach, ob
Leben die Eltern zusammen, gilt das universelle Einvernehmensprinzip des § 1627 BGB. Es besteht die unbedingte Verpflichtung, Meinungsverschiedenheiten im Interesse des Kindes gemeinschaftlich zu regeln. Gelingt dies in einer einzelnen, für das Kind bedeutsamen Angelegenheit nicht, so kann das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zuweisen, nicht aber den Konflikt selbst entscheiden.
Mit der dauernden Trennung der Eltern ändert sich zwar nicht der formale Rahmen des Sorgerechts, jedoch die Qualität der Handlungsbefugnisse. Nunmehr finden die §§ 1687, 1687a BGB Anwendung, die nach wichtigen und weniger wichtigen Belangen des Kindes differenzieren. Nur in den Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, verbleibt es bei der gemeinsamen Entscheidungsbefugnis und Entscheidungsverpflichtung.
Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, übt das sogenannte faktische Sorgerecht aus. Dies bedeutet, dass er losgelöst von dem gemeinsamen Sorgerecht, in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens allein entscheiden kann. Einer Zustimmung des anderen Elternteils bedarf es dafür nicht.
Angelegenheiten des täglichen Lebens sind solche, die häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben, oder solche, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes rückgängig gemacht werden könnten. Die Angelegenheiten des täglichen Lebens kann jeder Elternteil allein regeln und bestimmen (Alltagssorge oder kleines Sorgerecht).
Zu den Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung, die weiterhin gemeinschaftlich zu entscheiden sind, gehören u. a.:
Befindet sich das Kind in der Obhut eines Elternteils, hat der andere Elternteil ein Auskunftsrecht über die persönlichen Verhältnisse des Kindes (§ 1686 BGB). Das Auskunftsrecht besteht nur gegenüber dem anderen Elternteil, nicht gegenüber Dritten. Das erforderliche „berechtigte Interesse“ setzt im Regelfall voraus, dass der betreffende Elternteil keine andere Möglichkeit hat, sich die Informationen zu verschaffen.
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