Als Folge der Unterhaltsrechtsreform und der damit verbundenen Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils, aber auch wegen eines geänderten Rollenverständnisses, wird oftmals ein Umgang praktiziert, der weit über einen 14-tägigen Rhythmus an den Wochenenden hinausgeht. Während dieser Zeiten deckt der umgangsberechtigte Elternteil häufig einen Teil des Bedarfs der Kinder. In diesen Fällen drängt sich die Frage auf, ob und wie solche Ausgaben für den barunterhaltspflichtigen Elternteil bei der Bemessung des von ihm geschuldeten Barunterhalts zu berücksichtigen sind. Diese Problematik hat die Rechtsprechung bis heute nicht zufriedenstellend gelöst. Im Hinblick auf den geänderten Wandel bei der Ausgestaltung der Umgangskontakte bleibt abzuwarten, ob der BGH in den kommenden Jahren seine bisherige Rechtsprechung anpassen und modifizieren wird.
In seiner Entscheidung vom 12.03.2014 in dem Verfahren XII ZB 234/13 nahm sich der BGH u. a. der Frage an, wie sich erweiterte Umgangskontakte über einen zweiwöchigen Aufenthalt am Wochenende hinaus auf die Frage des Kindesunterhaltes auswirken. In den Leitsätzen führt der BGH aus:
Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahr, kann der Tatrichter die in diesem Zusammenhang getätigten außergewöhnlich hohen Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten Umgangsrechts dem Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt nicht als bedarfsdeckend entgegengehalten werden können (vor allem Fahrt- und Unterbringungskosten), zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen.
Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf kann weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt.
Mehrere gleich nahe Verwandte haften nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Die gesetzliche Regelung geht davon aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und versorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Dabei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Soweit dieser allerdings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut, während der andere Teil Barunterhalt leistet, so ist die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils begrenzt.
Diese Beurteilung ist so lange nicht infrage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil – auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse – zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt.
Es hat dann eine andere rechtliche Beurteilung zu erfolgen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. In solchen Fällen wird eine anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern in Betracht kommen, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen. Verfügen beide Elternteile über Einkünfte, ist der Elementarbedarf des Kindes an den beiderseitigen – zusammengerechneten – Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung entstehen und deren Ansatz und Erstattung unter den jeweiligen Umständen angemessen ist. Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen. Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht.
Bei den Kosten des erweiterten Umgangs müsse unterschieden werden, ob diese teilweise zu einer Bedarfsdeckung führen oder einen reinen Mehraufwand für die Ausübung des Umgangsrechts darstellen und diese den anderen Elternteil nicht entlasten. Insbesondere die Kosten für das Bereithalten von Wohnraum zur Übernachtung von Kindern bleiben bei einem im üblichen Rahmen ausgeübten Umgangsrecht unterhaltsrechtlich in der Regel schon deshalb unbeachtlich, weil es typischerweise angemessen und ausreichend ist, die Kinder in den Räumlichkeiten mit unterzubringen, die dem individuellen Wohnraumbedarf des Unterhaltspflichtigen entsprechen. Auch die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Fahrtkosten hat – von Ausnahmefällen abgesehen – im Rahmen eines üblichen Umgangs grundsätzlich der nicht betreuende Elternteil zu tragen.
Auch die Erweiterung des Umgangsrechts über das übliche Maß hinaus führe jedenfalls bei nicht beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu keiner grundlegend anderen Beurteilung. Denn die im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht entstehenden Unterbringungs- und Fahrtkosten können grundsätzlich nicht vom anrechenbaren Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils abgezogen werden, wenn ihm auch nach dem Abzug dieser Kosten noch ein ausreichendes Einkommen verbleibt. Diese Grundsätze schließen es aber nicht aus, dass der Tatrichter den im Rahmen eines deutlich erweiterten Umgangsrechts getätigten Aufwendungen, die dem Anspruch des Kindes auf Zahlung von Unterhalt in Form einer Geldrente nicht als (teilweise) Erfüllung entgegengehalten werden können, bei der Ermittlung des Kindesunterhalts nach Tabellenwerten durch eine Umgruppierung innerhalb der Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle Rechnung trägt.
Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahr, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert, kann der Tatrichter bei der Ausübung seines Ermessens im Rahmen der Angemessenheitskontrolle die wirtschaftliche Belastung des Unterhaltspflichtigen insbesondere mit zusätzlichen Fahrtkosten und den Kosten für das Vorhalten von Wohnraum in rechtsbeschwerderechtlich unbedenklicher Weise zum Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu bestimmen oder auf eine nach den maßgebenden unterhaltsrechtlichen Leitlinien ansonsten gebotene Hochstufung in eine höhere Einkommensgruppe zu verzichten.
Weiter führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass der nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf weitergehend gemindert werden kann, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt. Dies sei aber nicht schon deshalb der Fall, weil durch die Abwesenheit des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts im Haushalt des betreuenden Elternteils Aufwendungen für die Verpflegung des Kindes und gegebenenfalls Energie- und Wasserkosten erspart werden, die ansonsten aus dem Kindesunterhalt hätten bestritten werden müssen. Soweit das Umgangsrecht in einem üblichen Rahmen ausgeübt wird, folgt dies schon daraus, dass die pauschalierten Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle die Ausübung eines üblichen Umgangsrechts bereits berücksichtigen, sodass dessen Kosten entschädigungslos von dem besuchten Elternteil zu tragen sind.
In Bezug auf die Ausübung eines deutlich erweiterten Umgangsrechts vertrat der Senat bislang die Ansicht, dass auch die Verpflegung des Kindes während einiger weiterer Tage im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils nicht zu nennenswerten Ersparnissen aufseiten des betreuenden Elternteils führe. Dies blieb nicht ohne Kritik. In dem zu entscheidenden Fall musste sich der BGH dieser Frage aber nicht weiter stellen, weil der Kindesvater die im Zuge des erweiterten Umgangsrechts durch ihn getragenen Mehraufwendungen für die Verköstigung nicht dargelegt hat. Ebenso habe er daraus resultierende Ersparnisse im Haushalt der Kindesmutter nicht dargelegt.
Der BGH eröffnet mit der vorgenannten Entscheidung die Möglichkeit, den Unterhaltsbedarf des Kindes bei erheblichen Mehraufwendungen, die zu einer Ersparnis aufseiten des anderen Elternteils führen, anzupassen. Eine Reduzierung der Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle verlangt, dass der getätigte Mehraufwand, der durch den erweiterten Umgang besteht, konkret und dezidiert unter Beweisantritt dargelegt wird. Als Maßstab und Abgrenzungskriterium regen wir an, sich am Katalog des § 6 RBEG zu orientieren, der die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle wesentlich bestimmt. Dort werden neben den Unterkunfts- und Heizungskosten weitere zwölf Abteilungen aufgelistet, die von den Sätzen der DT erfasst werden. Man geht davon aus, dass 20 % des Regelbedarfs für Wohnungs- und Heizungskosten benötigt werden und sich die restlichen 80 % auf die weiteren zwölf Abteilungen verteilen. Die Werte können herangezogen werden, um konkret zu belegen, welche Ersparnisse aufseiten der Kindesmutter eintreten und in welchem Verhältnis eine Bedarfsdeckung eintritt. Es ist Aufgabe des Anwaltes, im Rahmen eines zu führenden Verfahrens darzulegen, inwieweit durch die erweiterten Umgangskontakte eine Bedarfsdeckung eintritt.
Autor:
Rechtsanwalt Frank Baranowski, Siegen
Scheidungsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht
Tel.: 0271 - 56055