Das Umgangsrecht dient dazu, den Kontakt des Kindes zu den Personen, die ihm besonders nahe stehen, aufrechtzuerhalten und zu fördern. Dem Kind sollen insbesondere auch nach einer Trennung und Scheidung seiner Eltern die gewachsenen familiären Beziehungen so weit als möglich erhalten bleiben. Der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen dient in der Regel dem Wohl des Kindes und ist von besonderer Bedeutung für seine Entwicklung. Nach § 1684 BGB ist jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Das Umgangsrecht besteht bereits beim Säugling, selbst dann, wenn sich die Eltern schon vor der Geburt getrennt haben. Der Umgang kann nur eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist.
Der Kreis der umgangsberechtigten Personen umfasst neben den Eltern auch Großeltern, Geschwister, Stiefeltern, frühere Pflegeeltern und andere enge Bezugspersonen des Kindes. Sie alle haben ein Umgangsrecht, sofern der Umgang dem Wohl des Kindes dient.
Damit Eltern und Kind ihr Recht auf Umgang ungehindert ausüben können, haben beide Eltern „alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert“ (Wohlverhaltensklausel nach § 1684 Absatz 2 BGB). Diese Verpflichtung soll verhindern, dass das Kind gegen den jeweils abwesenden Elternteil so negativ beeinflusst wird, dass die Beziehung belastet wird. Diese Regel gilt wechselseitig für beide Eltern.
Keine Umgangsregelung passt zu jedem Kind und zu jeder Familie. Und auch innerhalb einer Familie ist eine einmal getroffene Regelung nach einer gewissen Zeit den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. Säuglinge haben andere Bedürfnisse als Kleinkinder, diese wiederum andere als ältere Kinder oder Jugendliche. Die Entscheidungen sind immer von den Einzelfällen abhängig, die sich sehr voneinander unterscheiden können. Die nachfolgende Darstellung soll Anhaltspunkt dafür geben, welche Umgangsregelung dem jeweiligen Alter des Kindes am besten entspricht. Abweichende Gestaltungen können nach den individuellen besonderen Bedürfnissen und den Umständen geboten oder gar erforderlich sein.
Säuglinge im ersten Lebensjahr benötigen eine möglichst konstante Versorgung und Zuwendung. Sie bauen Bindungen nur zu wenigen Personen auf, die ihnen vertraut werden. Besuche sollten nach Möglichkeit häufig (wöchentlich oder öfter) sein, aber nicht länger als wenige Stunden dauern.
Zwei- und dreijährige Kinder sind besonders trennungsempfindlich. Nach der Trennung ihrer Eltern fürchten sie häufig, auch den noch verbliebenen Elternteil zu verlieren. Sie benötigen klar überschaubare Tagesabläufe, feste Rituale und klare Strukturen. Besuche sollten häufig (wöchentlich oder öfter) sein und können einen halben bis ganzen Tag dauern.
Übernachtungen sind nur in den Fällen sinnvoll, in denen das Kind positive Bindungen zu dem umgangsberechtigten Elternteil entwickelt hat, beispielsweise dann, wenn das Kind bereits mit dem umgangsberechtigten Elternteil zusammenlebte und dessen Haushalt gut kennt.
Kinder in diesem Alter fühlen sich häufig selbst verantwortlich für die Trennung ihrer Eltern. Dies hängt mit dem Aufbau ihres Gewissens zusammen. Sie benötigen insbesondere die Gewissheit, dass ihre Eltern sich trotz der Trennung in Fragen der Elternschaft weiterhin verständigen können. Besuche sollten im Regelfall wöchentlich stattfinden, zumindest jedoch an zwei Wochenenden pro Monat.
Übernachtungen und Ferienaufenthalte sind sinnvoll, wenn das Kind zu dem Elternteil, bei dem es nicht lebt, positive Bindungen entwickelt hat. Besuche können auch zusammen mit Geschwistern oder anderen Kindern, wie Freunde oder Freundinnen des Kindes, stattfinden.
Im frühen Schulalter werden sich Kinder zunehmend der sozialen Konsequenzen der Scheidung bewusst. Sie klammern sich nicht an den verbliebenen Elternteil, sondern suchen aktiv nach einer neuen Form der Familienidentität, die beide Elternteile einschließt. In diesem Alter sind Kinder besonders anfällig für Loyalitätskonflikte.
Sie wollen es beiden Eltern „recht“ machen und schämen sich manchmal der Handlungsweisen ihrer Eltern. Besuche sollten mindestens an zwei Wochenenden pro Monat stattfinden, und zwar unter Einbeziehung der Wünsche des Kindes und in Abstimmung mit seinen sonstigen schulischen und sportlichen Aktivitäten. Längere Aufenthalte in den Ferien sind sinnvoll und zu begrüßen. Dies allerdings nur dann, wenn bereits im Vorfeld regelmäßig Besuche mit Übernachtungen stattgefunden haben.
Die beginnende Pubertät ist immer – unabhängig von der Familienform – eine schwierige Lebensphase für Kinder und deren Eltern. Trennung und Scheidung können die Problematik zusätzlich verschärfen, weil dadurch die Identitätsfindung erschwert sein kann. Beziehungsschwierigkeiten mit dem älteren Kind sollten nicht allein der Trennung zugeschrieben und der andere Elternteil nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Kinder in diesem Alter benötigen die Gewissheit, dass beide Eltern auch bei Schwierigkeiten für sie verlässliche Ansprechpartner bleiben.
Die Besuche sollten in Abhängigkeit von der Lebenssituation (Schule, Freunde, Freizeitaktivitäten) und den Wünschen der Kinder gestaltet werden. Sinnvoll ist die Aufstellung einer Umgangsplanung gemeinsam mit dem Kind. Es sollte auch vereinbart werden, in welchem Rahmen das Kind spontane Besuche durchführen kann.
Jugendliche sagen sich schrittweise von ihren Eltern los. Die Gruppe der Gleichaltrigen wird für sie immer wichtiger. Eltern sollten sich in puncto Lebensort und Umgang mit dem anderen Elternteil im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten nach den Wünschen des Kindes richten. Vereinbarungen über den Lebensort sollten über einen bestimmten, überschaubaren Zeitraum hinweg verbindlich sein. Bei kurzfristig anberaumten Kontakten sollte der jeweils andere Elternteil informiert werden.
Grundsätzlich findet der Umgang beim umgangsberechtigten Elternteil statt. Allerdings ist es für Säuglinge und Kleinkinder förderlich, wenn der Umgang an dem für das Kind gewohnten Lebensort stattfinden kann und das Pendeln zwischen verschiedenen Orten möglichst reduziert wird. Dabei ist allerdings das Recht des hauptbetreuenden Elternteils auf Intimsphäre zu beachten. Es ist ihm nicht ohne Weiteres zuzumuten, den ehemaligen Partner bzw. die Partnerin während des Umgangs in seinen bzw. ihren Räumlichkeiten zu dulden. Wenn sich dadurch Spannungen zwischen den ehemaligen Partnern aufbauen, schadet dies auch dem Kind. In solchen Fällen ist der Umgang in der Wohnung des umgangsberechtigten Elternteils oder bei den Großeltern das kleinere Übel.
Ältere Kinder sind dagegen oftmals neugierig, die Wohnung und das Umfeld des umgangsberechtigten Elternteils kennenzulernen und dort für sich ein zweites Zuhause aufzubauen. Dies wird dadurch erleichtert, wenn es dem Kind ermöglicht wird, auch seine Freunde und Freundinnen und eventuellen (Halb-)Geschwister teilhaben zu lassen. Die Freizeitaktivitäten des Kindes sollten unter dem Pendeln nicht allzu sehr leiden müssen.
Grundsätzlich sind das Abholen und das Zurückbringen des Kindes Aufgabe des umgangsberechtigten Elternteils. Wohnt dieser Elternteil in größerer Entfernung vom Wohnort des Kindes, kann es die Pflicht des betreuenden Elternteils sein, einen Teil dieser Aufgabe zu übernehmen und das Kind zum Bahnhof oder zum Flughafen zu bringen.
Unter kinderpsychologischen Gesichtspunkten ist empfehlen, dass sich der betreuende Elternteil, ohne hierzu verpflichtet zu sein, freiwillig am Abholen und Zurückbringen des Kindes beteiligt. Dem Kind wird so signalisiert, dass der Umgang von beiden Elternteilen gewünscht und unterstützt wird. Selbst älteren Kindern, die bisher nur selten oder längere Zeit keinen Umgang mit einem Elternteil hatten, kann die Begleitung durch den betreuenden Elternteil oder andere Bezugspersonen die nötige Sicherheit geben.
Der umgangsberechtigte Elternteil hat die Kosten des Umgangs zu tragen, die auch nicht im Rahmen des Kindes- oder Ehegattenunterhalts berücksichtigt werden. Die Unterhaltstabellen gehen bereits davon aus, dass sich das Kind zeitweise beim barunterhaltspflichtigen Elternteil aufhält. In Ausnahmefällen können die Kosten des Umgangs berücksichtigt werden, wenn aufgrund der großen Entfernung der Wohnorte die Fahrtkosten außergewöhnlich hoch sind und der umgangsberechtigte Elternteil sein Umgangsrecht bei alleiniger Übernahme der Kosten nicht mehr oder nur in erheblich eingeschränktem Umfang wahrnehmen könnte. Dies gilt vor allem dann, wenn der betreuende Elternteil durch seinen Umzug, etwa ins Ausland, für die hohen Kosten mitverantwortlich ist.
Die Kosten des Umgangs können steuerrechtlich nicht geltend gemacht werden. Sie sind nach geltendem Recht durch die Kinderfreibeträge bzw. das Kindergeld abgegolten. Umgangsberechtigte Eltern, die auf Arbeitslosengeld II oder Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, können gegebenenfalls zusätzliche Unterstützung für die Ausübung ihres Umgangsrechts beantragen.
Ein begleiteter Umgang oder ein Umgangsausschluss kommt in den Fällen in Betracht, in denen der Schutz des Kindes während des Umgangs nicht gewährleistet werden kann, zum Beispiel bei einem gewaltbereiten Elternteil, bei Gefahr des sexuellen Missbrauchs oder von Kindesentführung.
Auch bei bestimmten psychischen Erkrankungen oder wenn ein Kontakt zwischen Kind und Elternteil erst angebahnt werden muss, kann im Einzelfall ein begleiteter Umgang notwendig werden. Begleiteter Umgang findet in der Regel an einem neutralen Ort, beispielsweise in einer Erziehungsberatungsstelle, statt.
Während der Umgangszeiten ist eine dritte Person anwesend, die den Umgang unterstützt und darauf zu achten hat, dass der Schutz des Kindes gewahrt bleibt. Ziel einer solchen Maßnahme ist es, einen eigenverantwortlichen, sicheren Umgang zwischen diesem Elternteil und dem Kind herzustellen. Soweit es für das Wohl des Kindes erforderlich ist, kann ein begleiteter Umgang oder ein Umgangsausschluss gemäß § 1684 Abs. 4 BGB vom Familiengericht angeordnet werden. Ein begleiteter Umgang oder ein Umgangsausschluss sind in der Regel zeitlich befristet.
Sowohl der umgangsberechtigte als auch der betreuende Elternteil sind verpflichtet, sich gegenseitig über alle Umstände, die für das Befinden und die Entwicklung des Kindes wesentlich sind, ohne Aufforderung zu informieren. Auskünfte können etwa über die schulische und berufliche Laufbahn des Kindes, die Lebenssituation und Interessen des Kindes sowie über den Gesundheitszustand verlangt werden.
Der Auskunftsanspruch besteht losgelöst vom Umgangsrecht. Bestehen keine Umgangskontakte, so kann insbesondere die Überlassung von Fotos verlangt werden. Darf das Kind entsprechend seinem Alter allein über seine höchstpersönlichen Angelegenheiten entscheiden, so kann der Auskunftsanspruch eingeschränkt sein. Dies betrifft beispielsweise Arztbesuche, etwa beim Frauenarzt, das soziale und politische Engagement des Kindes sowie freundschaftliche und familiäre Kontakte.
Auch der betreuende Elternteil kann Auskunft vom umgangsberechtigten Elternteil verlangen, beispielsweise bei Erkrankungen des Kindes während des Umgangs. Der Auskunftsanspruch besteht bis zur Volljährigkeit des Kindes. Der Auskunft verlangende Elternteil muss ein berechtigtes Interesse an der Erteilung der Information haben. Der Anspruch besteht nur dann, wenn es für den anderen Elternteil keine andere Möglichkeit gibt, sich die gewünschte Information anderweitig zu beschaffen. Ein berechtigtes Interesse fehlt auch dann, wenn die Auskunft dem Wohl des Kindes widerspricht. Damit soll ein Missbrauch des Auskunftsrechts verhindert werden.
Die wechselseitige Information über Belange des Kindes ist unabhängig vom familienrechtlichen Auskunftsanspruch für ein Gelingen des Umgangs wichtig. Die Informationen über den Alltag des Kindes oder besondere Ereignisse erleichtern die Einschätzung der kindlichen Stimmungen und Bedürfnisse. Dass die erwünschten Auskünfte freiwillig und gern gegeben werden, setzt jedoch ein gewisses Vertrauensverhältnis der Eltern voraus.
Autor:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht
Frank Baranowski, Siegen
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