Neue Entscheidung des BGH zum Elternunterhalt und der Frage, wie unterhaltsrechtlich zu urteilen ist, wenn im Haushalt des Unterhaltsverpflichteten ein minderjähriges, von ihm allein betreutes Kind lebt. Betreuung ist nach Ansicht des BGH nicht in Geld ausdrückbar und spielt für die Haftungsquote und die Leistungsfähigkeit beim Elternunterhalt keine Rolle. In seinen Leitsätzen führt der BGH auszugsweise aus:
1. Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt ist der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren.
2. Die Leistungsfähigkeit ist jedoch um dasjenige gemindert, was der Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind neben der Betreuungsleistung als Barunterhalt in der Form von Naturalunterhalt erbringt. Dieser errechnet sich nach dem Tabellenunterhalt aus dem gemeinsamen Einkommen beider Elternteile unter Abzug des halben Kindergelds und des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts.
3. Das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld ist kein unterhaltsrelevantes Einkommen.
4. Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist kein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt.
5. Eine Erwerbstätigkeit ist unterhaltsrechtlich als überobligatorisch zu bewerten, wenn der betreuende Elternteil erwerbstätig ist, obwohl ein Erwerbshindernis in Form der Kinderbetreuung besteht. Über die Anrechnung ist deshalb nach Treu und Glauben unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Beschluss des BGH vom 15.02.2017 in dem Verfahren XII ZB 201/16.
Der Sozialhilfeträger machte von der Antragsgegnerin Elternunterhalt aus übergegangenem Recht geltend. Die Antragsgegnerin und ihre Schwester sind die Töchter des im Jahre 1952 geborenen S., der vom 15.9.2011 bis zum 31.5.2012 in einem Heim untergebracht war. Während dieser Zeit bezog die Mutter Sozialhilfe nach § 61 ff. SGB Xll (Hilfe zur Pflege) von annähernd 5.000,00 EUR. Die vollschichtig erwerbstätige Antragsgegnerin erzielte ein bereinigtes Nettoeinkommen, das sich nach den Feststellungen des OLG nach Abzug zusätzlicher Altersversorgung und weiterer Kreditverbindlichkeiten zwischen 2.685,34 EUR und 3.165,34 EUR belief. Die Antragsgegnerin betreute in dem maßgeblichen Zeitraum ihren zunächst elf-, später zwölfjährigen Sohn, von dessen Vater sie getrennt lebte. Für das Kind bezog die Antragsgegnerin vom Kindesvater monatlichen Barunterhalt von 235,00 EUR. Die Schwester der Antragsgegnerin war ebenfalls beschränkt leistungsfähig, und zwar bis April 2012 in Höhe von 63,00 EUR und ab Mai 2012 von 130,00 EUR. Von der Antragsgegnerin verlangte der Sozialhilfeträger 3.082,19 EUR. Das FamG verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin reduzierte das OLG den Betrag auf 2.983,73 EUR und ließ die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.
Der BGH gab der Rechtsbeschwerde nur teilweise statt und führte dazu aus, dass die neben dem Barunterhalt geschuldete Betreuung des Kindes der Antragsgegnerin ist nicht auf Geldleistung gerichtet und lässt sich deswegen auch nicht monetarisieren. Allerdings müsse vom unterhaltsrelevanten Einkommen ein nicht anderweitig gedeckter vorrangiger Barunterhalt an das Kind abgesetzt werden. Der Unterhaltsbedarf richte sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Bei minderjährigen Kindern, die noch im Haushalt (mindestens) eines Elternteils leben, handelt es sich dabei um eine abgeleitete Lebensstellung. Sie leitet sich grundsätzlich von beiden Elternteilen ab, sodass bei der Bedarfsbemessung auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Eltern abzustellen ist. Insoweit bestehe kein Unterschied zu einem abgeleiteten Barunterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes, der sich ebenfalls nach den zusammengerechneten Einkünften beider Elternteile bemisst.
Auf den Unterhaltsbedarf des Kindes ist das hälftige Kindergeld anzurechnen. Denn nach der gesetzlichen Regelung entlastet das Kindergeld die Eltern minderjähriger Kinder zur Hälfte von ihrer Barunterhaltspflicht und steht zur anderen Hälfte dem betreuenden Elternteil zu. Der danach verbleibende Unterhaltsbedarf wird grundsätzlich überwiegend durch den Kindesunterhalt des barunterhaltspflichtigen Elternteils gedeckt. Allerdings ist dessen Unterhaltspflicht auf den Betrag begrenzt, den der Unterhaltspflichtige bei alleiniger Unterhaltshaftung auf der Grundlage seines Einkommens zu zahlen hätte. Auch dessen Barunterhaltspflicht wäre um das bei minderjährigen Kindern auf den Barunterhalt entfallende hälftige Kindergeld gemindert. Im vorliegenden Fall zahlte der Kindesvater einen monatlichen Barunterhalt von 235,00 EUR.
Von den Erwerbseinkünften der Antragsgegnerin ist der Barunterhaltsbedarf ihres Kindes nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. Denn in dieser Höhe leistet sie neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Danach beträgt der nicht anderweitig gedeckte und deshalb von der Antragsgegnerin zu tragende, ihrem Kind in Naturalien erbrachte Barunterhalt offensichtlich weniger als die vom OLG bereits abgesetzten Beträge, sodass die von ihr allein eingelegte Rechtsbeschwerde insoweit keinen Erfolg hat.
Demgegenüber ist die andere Hälfte des Kindergelds, die die Antragsgegnerin als betreuender Elternteil erhält, nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen. Zwar hat der Senat für eine weitere Unterhaltspflicht eines zum Kindesunterhalt barunterhaltspflichtigen Unterhaltsschuldners bereits entschieden, dass bei der Bemessung des unterhaltsrelevanten Einkommens nicht der Tabellenunterhalt des Kindesunterhalts, sondern der, um das hälftige Kindergeld geminderte tatsächliche Zahlbetrag des Kindesunterhalts abzusetzen ist, sodass sich der auf ihn entfallende Kindergeldanteil einkommenserhöhend auswirkt.
Dies kann auf die dem betreuenden Elternteil zustehende Kindergeldhälfte jedoch nicht übertragen werden. Denn anders als beim Barunterhaltspflichtigen mindert der auf den betreuenden Elternteil entfallende Kindergeldanteil nicht die von ihm zu erbringende Betreuungsleistung und damit den von ihm zu erbringenden Unterhalt. Das Kindergeld ist als zweckgebundene, existenzsichernde Leistung für das Kind zu verwenden und mindert dessen individuellen Unterhaltsbedarf. Das Wort „verwenden“ bringt dabei zum Ausdruck, dass das Kind Anspruch auf die Auszahlung des Kindergelds oder die Erbringung entsprechender Naturalleistungen gegenüber demjenigen hat, der das Kindergeld ausgezahlt erhält. Die Hälfte des Kindergelds, die dem betreuenden Elternteil zusteht, unterstützt ihn bei der Erbringung der Betreuungsleistung. Das geschieht, indem sie ihm Ausgaben ermöglicht, die im Zusammenhang mit der Betreuungsleistung entstehen, jedoch nicht zum unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes zählen, wie etwa ein eigenes Eintrittsgeld des betreuenden Elternteils bei der Begleitung des Kindes zu einer Veranstaltung oder in eine Einrichtung.
Nicht zu beanstanden sei, dass das OLG der Antragsgegnerin keinen pauschalen Betreuungsbonus zuerkannt und auch keinen Abschlag für überobligationsmäßige Tätigkeit vorgenommen hat. Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist kein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren. Vielmehr hänge es von den Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt.
Eine Erwerbstätigkeit ist unterhaltsrechtlich als überobligatorisch zu bewerten, wenn der betreuende Elternteil erwerbstätig ist, obwohl ein Erwerbshindernis in Form der Kinderbetreuung besteht. Über die Anrechnung ist deshalb nach Treu und Glauben unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Konkrete Umstände, die eine volle Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin neben der Betreuung ihres zunächst elf- und dann zwölfjährigen Sohnes hinderten, und diese deshalb als überobligatorisch erscheinen ließen, hätten nicht vorgelegen.
Erfolg hatte die Rechtsbeschwerde lediglich für den Unterhaltszeitraum 15. bis 21.09.2011. So kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt für die Vergangenheit erst mit Zugang der Überleitungsanzeige geltend machen. In dem zu entscheidenden Fall ging die Rechtswahrungsanzeige vom 19.9.2011 am 22.9.2011 zu, sodass rückwirkend erst ab diesem Zeitpunkt übergegangener Unterhalt gefordert werden kann.
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