Neuregelung: Beschleunigungsrüge in Kindschaftssachen
Wann kann die Rüge erhoben werden? Wann liegt eine lange Verfahrensdauer vor?
Wann kann die Rüge erhoben werden? Wann liegt eine lange Verfahrensdauer vor?
Wann kann die Rüge erhoben werden? Wann liegt eine lange Verfahrensdauer vor?
Es ist kein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen gegeben, wenn ein Erörterungstermin, der innerhalb der Monatsfrist des § 155 Abs. 2 FamFG anberaumt worden ist, aus sachlichen Gründen mehrfach verlegt wurde. Dies ist Auffassung des OLG Bremen. Für das Beschleunigungsgebot ist das Kindeswohl entscheidend, da es keine gesetzliche Verfahrenshöchstdauer gibt.
Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 12.07.2017 in dem Verfahren 4 UF 72/17
Die Kindeseltern rügen, dass die bisherige Verfahrensdauer in der vorliegenden Kindschaftssache nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG entsprechen würde. Nachdem den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht, öffentliche Hilfen zu beantragen, für ihren Sohn vorläufig entzogen worden ist, beantragten sie am 05.05.2017, den Umgang mit ihrem Sohn zu regeln. Durch Beschluss vom 10.05.2017 hat das AG den bereits in den parallel geführten Sorgeverfahren bestellten Verfahrensbeistand bestellt und mit Verfügung vom gleichen Tage einen Erörterungstermin für den 01.06.2017 anberaumt.
Mit Schreiben vom 11.05.2017 und 18.05.2017 bat die Amtsvormündin um Terminverlegung. Mit Schreiben vom 23.05.2017 wies sie darauf hin, dass nach Feststellungen des Kinderarztes für das Kind ein Operationstermin für den 09.06.2017 in der Kinderklinik angesetzt worden sei. Es sei zwingend erforderlich, den abschließenden Befund abzuwarten, bevor das Umgangsverfahren weitergeführt werde.
Durch Verfügung vom 24.05.2017 hob das AG den Termin vom 01.06.2017 auf, bestimmte einen neuen Termin für den 14.07.2017 und begründete dies damit, dass wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs zunächst das Ergebnis der Untersuchung in der Kinderklinik vom 09.06.2017 abgewartet werden solle und die Vertreterin der Amtsvormundschaft am 01.06.2017 verhindert sei.
Mit Schreiben vom 24.05.2017 bat der Verfahrensbeistand wegen urlaubsbedingter Ortsabwesenheit vom 04.07.2017 bis 24.07.2017 um eine erneute Terminverlegung. Der Termin wurde sodann vom 14.07.2017 auf den 27.07.2017 verlegt. Mit Schriftsatz vom 30.05.2017 legten die Kindeseltern Beschleunigungsrüge nach § 155b FamFG ein, die das Familiengericht zurückwies. Hiergegen legten sie Beschleunigungsbeschwerde nach § 155c FamFG ein.
Die Beschleunigungsbeschwerde wies das OLG Bremen zurück. Es könne nicht starr bestimmt werden, ab wann ein Verfahren in Kindschaftssachen nicht beschleunigt durchgeführt wurde. Der Maßstab ist die Orientierung am Kindeswohl, das begrenzt auch das Beschleunigungsgebot präge.
Das Beschwerdegericht habe allein darüber zu entscheiden, ob die Dauer des bisherigen Verfahrens den Anforderungen des Vorrang- und Beschleunigungsgebotes entspricht, insbesondere ob das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat. Dabei ist nicht von dem Maßstab eines idealen Richters auszugehen, sondern es ist anhand des konkreten Einzelfalles ein objektiver Maßstab anzulegen. Ein Verstoß gegen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen ist nicht gegeben, wenn ein zunächst innerhalb der Monatsfrist des § 155 Abs. 2 S. 2 FamFG anberaumter Erörterungstermin aus sachlichen Gründen mehrfach verlegt worden ist.
Seit dem 15.10.2016 gibt es die Möglichkeit, bei zu langer Verfahrensdauer eine sogenannte Beschleunigungsrüge zu erheben. Diese ist nunmehr in § 155b FamFG gesetzlich geregelt und soll das in § 155 FamFG normierte Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen sichern. Die wenigen dazu bislang ergangenen Entscheidungen wiesen die Rüge zum überwiegenden Teil jedoch als unbegründet zurück. So führte auch das KG Berlin in seinem Beschluss vom 31.01.2017 aus, dass allein in der Dauer des Verfahrens von mehr als zweieinhalb Jahren keine Verletzung des Vorrangs- und Beschleunigungsgebotes gesehen werden könne. Der Gesetzgeber habe bewusst keine Verfahrenshöchstdauer festgelegt. Nur das OLG Hamburg (Beschl. v. 08.02.2017, 7 WF 9/17, FamRZ 2017, 986) erachtete bislang in einem Fall die Beschleunigungsrüge als begründet. In diesem Fall hatte das Familiengericht im März 2015 einen Sachverständigen beauftragt. Er teilte erst nach mehrfacher gerichtlicher Nachfrage Ende 2016 mit, dass das Gutachten bis spätestens Ende Januar 2017 vorliegen werde.
Die Entscheidung des OLG Bremen zeigt, dass die Beschleunigungsrüge in der Praxis bislang nur wenig Bedeutung erlangt hat. Eine für den vorliegenden Sprengel (Familiengerichte in Siegen, Olpe, Bad Berleburg) maßgebliche Entscheidung des OLG Hamm, insbesondere des 4. Familiensenats, liegt bislang noch nicht vor. Es ist allerdings zu vermuten, dass auch das OLG Hamm allenfalls bei eklatanten Verzögerungen, die weit über den üblichen Rahmen hinausgehen, der Beschwerde bzw. der Rüge stattgeben wird. Der Richter hat insoweit einen relativ großen Ermessensspielraum. Um das Verfahren aus anwaltlicher Sicht zu fördern, ist es ratsam, das Vorbringen „so schlank“ wie möglich zu halten und sich auf die wesentlichen Dinge zu beschränken. Mehr ist in solchen Fällen oftmals mehr, zumal das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln muss. So ist es Aufgabe des Gerichts zu klären, welche Regelung dem Kindeswohl entspricht. Dabei bedient sich das Gericht in der Regel eines sogenannten Verfahrensbeistandes, der die Interessen des Kindes zu vertreten hat.
Bei weiteren Fragen zum Thema Verfahrensbeschleunigung regen wir an, mit unserer Fachkanzlei fürs Familienrecht einen Besprechungs- bzw. Beratungstermin zu vereinbaren.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht
Scheidungsanwalt
Frank Baranowski, Siegen
Telefon: 02 71 - 5 60 55